Lippenteller und andere Körpermodifikationen, die für die meisten Europäer sehr befremdlich wirken – dafür sind die Mursi bekannt. Doch wer ist diese Stammesgruppe eigentlich, wo leben sie und was hat es mit Piercings und Co des Mursivolkes auf sich?
Das alltägliche Leben des Mursivolkes
Der Südwesten Äthiopiens ist die traditionelle Heimat des Mursivolkes. Diese kleine ethnische Gruppe hat sich im unteren Teil des Omo-Tals angesiedelt – in der Nähe des Mago- und des Omo-Nationalparks, etwa 100 Kilometer entfernt von der Grenze nach Kenia. Das kleine Gebiet zwischen den Flüssen Omo und Mago gilt als die isolierteste Region in ganz Äthiopien und ist aufgrund mangelnder Infrastruktur für Außenstehende nur schwer zugänglich.
Das Leben des Mursivolkes spielt sich in kleinen Hütten aus Holz und Lehm ab, die über eine kleine Öffnung als Eingang verfügen. Diese kompakten Hütten sind recht stabil gebaut und bilden gemeinsam ein kleines Dorf.
Das Mursivolk lebt traditionell vom Ackerbau und der Rinderzucht. Angepflanzt werden zweimal jährlich Mais, Bohnen, Kichererbsen und Sorghum. Somit stellt Ackerland für das Mursivolk eine wichtige Ressource für den Anbau von Lebensmitteln dar. Um sich gegen Ernteausfälle aufgrund schlechter Wetterbedingungen zu schützen, sichert sich das Volk durch Viehzucht ab. Dieses produziert, Fleisch, Milch und Blut, das sich im Fall einer Missernte gegen Getreide aus dem Hochland eintauschen lässt.
Lippenteller als Teil des traditionellen Körperschmucks
Bekannt ist das Mursivolk vor allem für die Lippenteller der Frauen, die in der Stammessprache „dhebi“ genannt werden. Das Einsetzen dieser Lippenteller beginnt bei Mädchen zum Ende der Pubertät. Hierzu wird die Unterlippe aufgeschnitten und zwei der unteren Schneidezähne werden ausgeschlagen, um Platz für den Lippenteller zu schaffen. Diese Lippenteller bestehen aus Ton und werden von den jungen Mädchen selbst geformt und gebrannt, also individuell gestaltet. Damit es zu einer kontinuierlichen Dehnung der Unterlippe kommt, werden nach und nach immer größere Lippenteller eingesetzt. Dieselbe Prozedur erfolgt auch bei den Ohrläppchen.
Eingeschnittene und durchstochene Piercings in den Ohrläppchen und Lippen zählen beim Mursivolk zum Schönheitsideal. Doch warum ist das eigentlich so?
Bedeutung der Lippenteller – historisch und heute
Für die Frauen des Mursivolkes ist der Lippenteller ein wichtiges Symbol. Mit ihm sollen hohe Selbstachtung und Stärke ausgedrückt werden. Zugleich bildet der Lippenteller ein Schönheitsideal bei dem Volk. Den Lippenteller tragen die Frauen aber nicht den ganzen Tag über. Durch seine Größe von bis zu 20 Zentimetern ist er bei alltäglichen Arbeiten hinderlich und unkomfortabel. Wenn Gäste die Hütte des Ehepaares betreten, legt die Frau jedoch umgehend den Lippenteller an und bedient im Anschluss die Gäste. Besonders geschätzt wird es, wenn die Frau ihren Lippenteller beim Servieren des Kaffees trägt.
Häufig wird vermutet, dass die Größe des Lippentellers in Verbindung mit der Höhe des Brautpreises steht. Dies ist jedoch ein Irrglaube. Oft wird die Ehe schon lange vor dem Einschnitt der Unterlippe arrangiert. Hierbei kommt es auch bereits zu Verhandlungen um den Brautpreis, den die Familie des angehenden Ehemannes an die Familie der Brauteltern entrichten muss.
Ebenso wird gerne angenommen, dass das Einsetzen eines Lippentellers durchgeführt wurde, um die Frauen unattraktiv für Sklavenhalter – in der Zeit der damaligen Sklaverei – erscheinen zu lassen. Das Mursivolk selbst ignoriert solche historischen Erklärungen und Geschichten und lässt sie unkommentiert.
In den heutigen Tagen bilden die Körpermodifikationen des Volkes auch eine Einnahmequelle, denn Mursifrauen lassen sich regelmäßig von Touristen mit ihren Lippentellern fotografieren – gegen eine für sie angemessene Bezahlung.
Mädchen, die in Gebieten leben, die stärker von Außengebieten beeinflusst sind, möchten teilweise keine Lippenteller mehr tragen oder nur solche, die ein Loch in der Mitte haben. Diese haben weniger Gewicht und lassen sich daher leichter tragen.
Ziernarben und Bemalungen
Fester Bestandteil des Körperschmucks beim Mursivolk ist das Schmücken des Körpers mit Ziernarben. Männer schneiden sich hierbei kreisrunde Verletzungen um ihre Brustwarzen. Diese sollen ausdrücken, dass sie einen Feind (oder auch mehrere Feinde) getötet haben. Männer – und auch Frauen – tragen diese Ziernarben an Oberarmen, Schultern und Rücken. Die vielen Narben ergeben dann kreisförmige Muster auf dem Körper.
Zu den verschiedenen Anlässen tragen die Männer zusätzlich unterschiedliche Bemalungen. Diese werden mit weißer Kreide auf den Körper gezeichnet. Darüber hinaus darf auch der Kopfschmuck nicht unerwähnt bleiben, den sowohl Männer als auch Frauen neben Lippentellern, Bemalungen und Ziernarben tragen.
Auch über die Bemalungen und Ziernarben gibt es verschiedene Mutmaßungen der Landesfremden. Das Mursivolk selbst legt jedoch keinen Wert auf das Wissen um die Herkunft dieser Modifikationen an ihren Körpern. Für sie bedeuten diese einfach einen Teil ihres alltäglichen Lebens und ihrer Traditionen. Über den ureigenen Sinn und Zweck der Piercings und Bemalungen lässt sich letzten Endes also nur spekulieren.
Quellen:
https://xn--thiopien-zza.de/Voelker–Tradition/Mursi/
https://de.wikipedia.org/wiki/Lippenteller
http://www.die-aethiopienreise.de/suedaethiopien-voelker-omo-tal/mursi-volk-aethiopien-omo-tal.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Mursi_(Volk)
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